• Feministische Geschichtswerkstatt Freiburg e.V.

Wahlheimaten AZ-Nr. 20513

-1- Kindheit: 1939 bis 1946

Eine Tasche für Ingrid Kraus

gepackt von Ingrid Kraus

20513_Ingrid Kraus Tasche

Schicksalsjahr 1939. Die Eltern von Ingrid Kraus heiraten, im September kommt sie auf die Welt. Im November muss der Vater in den 2. Weltkrieg ziehen.

Damit beginnt Ingrid Kraus‘ Autobiografie in ihrer Tasche. Ihre ersten Kindheitsjahre packt sie in viele kleine, detailreiche Geschichten, die sich kaleidoskopartig zu einer Vorstellung formen, wie die Kriegsjahre für ein kleines Kind gewesen sein müssen, das am Rande von Dresden gelebt hat.

„Ich stand mit anderen Leuten im Milchladen, als es plötzlich Alarm gab. Alle rannten schnell weg, um sich in Sicherheit zu bringen. Die Verkäuferin schubste mich aus dem Laden und schloss schnell die Türe zu. Ich stand allein auf der Straße, es war unheimlich still. Über mir sah ich am Himmel unzählige silberne Flugzeuge, die wie glitzernde Sterne aussahen“, erlebt sie die Momente vor dem Bombardement der Stadt.

Aber es gibt auch schöne Kindheitsmomente wie „süße Kirschen“, Spiele wie „Himmel und Hölle“ mit den Nachbarskindern und eigene Haustiere wie Kaninchen, Meerschweinchen und eine Hauskatze, von denen viele dem Hunger geschuldet gegen Essen eingetauscht werden oder in den Kochtopf landen.

Der Vater überlebt den 2. Weltkrieg nicht. Im Frühjahr 1945 stirbt er an einer beidseitigen Lungenentzündung in einem russischen Lazarett. 1946 enden Ingrid Kraus‘ Kindheitserinnerungen mit einem Besuch an der Ostsee.

Neben ihrer vierseitigen Vita hat sie ihre Lackledertasche mit einem Foto von ihren Eltern und sich als Baby gepackt, dazu zusammengeklebte Flaggen Italien-Deutschland hineingegeben, einen Roma-Wimpel mit der Piazza San Pietro und einen Schlüsselanhänger mit Sandale – die Roma-Connection erschließt sich der geneigten Leserin nicht unbedingt, aber Taschen sind wie „Tatorte“: Ein paar Fragen müssen immer übrig bleiben.

KS