• Feministische Geschichtswerkstatt Freiburg e.V.

Wahlheimaten AZ-Nr. 20518

Anrufung einer nächtlichen Identität

Eine Tasche für Anne Juhler

gepackt von Christine Kühnen

20518 Anne Juhler Tasche

Die Tasche ist die Botschaft, scheint sich Christine Kühnen gedacht zu haben, weniger der Inhalt. Das ist eine vollkommen andere Philosophie, als bisher von den Taschenpackerinnen bekannt. Christine Kühnen bilanziert die – „wenigen“ – Taschen ihrer Mutter, durchwandert ihre Erinnerungen dazu und assoziiert zu jeder Tasche Charaktereigenschaften – auch eine schöne Methode, die eigene Mutter zu beschreiben.

Zuerst einmal erzählt sie, welche Taschen sie nicht ausgesucht hat. So besaß Anne Juhler eine Violette aus Velourleder mit dem „Hauch mystischer Berührung“. Eine Siennafarbene, die sie erst trug, als die Tochter längst das Haus verlassen hatte. Und einen schwarzen Beutel, in dem sie die täglichen Einkäufe vom Wochen- oder Supermarkt nach Hause brachte.

Und dann eben diese Silberne, für die sich Christine Kühnen schlussendlich entschieden hat. Sie steht für Anne Juhlers Freude am Ausgehen, auch für „Verwandlung, Bekenntnis und Anrufung einer nächtlichen Identität“, der sie gern mit federleichten Abendkleidern auf Bällen in der Kleinstadt nachging.

Manchmal sind es die Gegensätze, die faszinieren. Als einen der wenigen Gegenstände hat Christine Kühnen eine dicke, schwarze Wasserwaage in diese elegante Ausgehtasche gelegt. Warum erklärt sie in ihrem Schreiben: „Ich füge dieser Aktionshandtasche, neben dem von meiner Mutter eingefügten Spiegel, eine Wasserwaage hinzu, die für mich das Ausbalancieren der Kräfte symbolisiert, ohne das ein Gefüge wie Familie, Alltag, Gesellschaft zusammenkrachen würde.“

In dieser festlichen Silbernen soll auch immer ein Glückspfennig verborgen gewesen sein. Er fehlt. Vielleicht hat ihn Anne Juhler verschenkt oder Christine Kühnen hat ihn als mütterlichen Glücksbringer an sich genommen.

Glück kann frau im Leben bekanntlich nicht genug haben.

KS